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Vorgeschichte
1685–1718. Hanseatische Vorbilder und Große Kurfürsten, Wilhelm Leibniz und mehrere Anläufe, ein Brand in Crossen und seine Folgen: Schon die Jahre vor der Gründung schreiben spannende Geschichte. > Mit der Vorgeschichte starten.
Vorgeschichte
Alles begann mit der Idee des Großen Kurfürsten: Für seine Residenzstädte sollte eine Feuerkasse nach Hamburger Vorbild her. Nachdem die General-Stadt- und Landfeuerkasse 1706 im zweiten Anlauf ihren Betrieb in Brandenburg-Preußen aufgenommen hatte, geriet das Unternehmen schon zwei Jahre später in große Schwierigkeiten.
Der erste Anlauf

Die Idee der Versicherungen, wie es sie in der Seefahrt gab, sollte auf den Schutz vor Feuerschäden übertragen werden.

Von öffentlicher Seite war in Brandfällen kaum Unterstützung zu erwarten.

Feuerversicherung – der erste Anlauf
Im Mai 1685 wandte sich Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg an die Magistrate der Residenzstädte Cölln, Berlin und Friedrichswerder mit dem Vorschlag, eine „Feuerkasse“, also eine Versicherung gegen Brandschäden, zu gründen. Sie sollte den Wiederaufbau von Gebäuden ermöglichen und damit das Stadtbild vor Schaden bewahren. Vorbeugend stellte der Kurfürst fest, dass die Abgabe für die Feuerkasse keine neue reguläre Umlage bedeutete, sondern nur die Absicherung für den Schadensfall, und er versprach, dass das für die Versicherung eingesetzte Geld nur zweckgebunden ausgegeben werden dürfte.

Bis dahin gab es für Betroffene kaum Unterstützung. Die „Abgebrannten“ erhielten sogenannte „Brandbriefe“, die bestätigten, dass sie von einem Brand betroffen waren. Hinzu kamen manchmal Steuererlässe sowie Hilfeleistungen aus Kirchenkollekten. Doch das linderte die Schäden kaum.

Links: Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620 – 1688), später der Große Kurfürst genannt.

Rechts: Friedrich Wilhelm, der "Große Kurfürst", auf Gulden (2/3 Taler) von 1683

Die Vorstellung von Wilhelm Leibniz ging weit über das Hamburger Feuerkassen-Modell hinaus.

Die Hamburger Feuerkasse als Vorbild
Die Hamburger Feuerkasse stellte 1676 eine wirkliche Innovation dar. Die Idee der Versicherung, wie sie in der Seefahrt bereits üblich war, wurde in Hamburg als Modell auf den Schutz vor Feuerschäden übertragen. Der Kurfürst orientierte sich an diesem Hamburger Vorbild, um für die Residenzstädte eine Assekuranz zu etablieren.

Das Reskript des Brandenburger Kurfürsten von 1685 war erst einmal für die drei Residenzstädte gedacht, die damals noch nicht als gemeinsame Stadt galten. Doch der Vorschlag des Kurfürsten stieß auf wenig Begeisterung. Mehr noch, die Räte und die vier maßgeblichen Gewerke wiesen das Ansinnen ihres Landesherrn recht brüsk zurück. Sie sahen in der öffentlichen Feuerversicherung nur eine zusätzliche Steuerlast. Der erste Anlauf, eine Feuerversicherung zu etablieren, war gescheitert. 1688 starb der Kurfürst.
Modell des großen Brandes von London im Jahr 1666

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Der zweite Anlauf
Feuerversicherung – der zweite Anlauf
1705 schafften es der Justizrat Augustus Wiegand und der Kommerzienrat Conrad Müller, dem preußischen König Friedrich I. die Gründung einer Feuerkasse als lohnendes Geschäft zu unterbreiten. Die beiden lieferten das fertige Konzept für ein Unternehmen, in der sie die gut dotierten Leitungsposten übernehmen würden, an der Seite von vier Oberdirektoren. Tatsächlich wurde im Oktober 1705 von König Friedrich ein sogenanntes Feuerkassenreglement erlassen. Schon im April 1706 nahm die „General-Stadt- und Landfeuerkasse“ ihren Betrieb auf. An ihrem Sitz in Cölln blieb es jedoch still – Anträge auf den Beitritt in die Versicherung ließen auf sich warten, stattdessen hagelte es Klagen und Kritik.
Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg später König Friedrich I. (1657 – 1713)

(Bild: bpk / Stiftung Preussische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg / Daniel Lindner)
Der „Prototyp“ gerät in Schwierigkeiten
Umgehend machten sich Müller und Wiegand an eine Modifizierung der königlichen Verordnung. Zum Juni 1706 wurden Versicherungsprämien festgelegt und die Mitgliedschaft in der Feuerkasse wurde zur Pflicht. Das änderte jedoch nichts an den Beschwerden. Durch säumige Beitragszahlungen, hohe Direktorengehälter und Verwaltungskosten war zudem im Schadenfall nicht sichergestellt, dass Entschädigungen geleistet werden konnten. Als Lösung sollten die Beiträge erhöht und Strafen bei Zahlungsverzug erlassen werden. Die Residenzstädte an der Spree entwickelten daraufhin gegenüber der Feuerkasse einen heftigen Widerwillen, sie monierten die finanzielle Belastung und die teure Verwaltung.
Karte des Kurfürstentums Brandenburg, 1724
Brand in Crossen
In der Nacht zum 25. April 1708 brach ein Feuer in Crossen an der Oder aus. Die Nachtwache war unaufmerksam, so dauerte es einige Zeit, bis die Sturmglocke geläutet wurde. Bald schon standen zahlreiche Häuser in Flammen. Obwohl die Oder Hochwasser führte, wurde keine koordinierte Hilfe geleistet. Die große Feuerspritze blieb im Schlamm stecken, als sie ankam, verstopfte Schmutz die Schläuche, sodass sie gänzlich unbrauchbar wurde. Es brach Panik aus, die Menschen liefen über die Brücke auf die andere Seite der Oder, um sich in Sicherheit zu bringen. Die Schadensbilanz: Sämtliche Gebäude der Stadt sowie vier Menschenleben waren dem Brand zum Opfer gefallen. Die Entschädigung aus der Feuerkasse zog sich anschließend über Monate hin.
Überblick für Berlin, Cölln und die Vorstädte, bezogen auf das Jahr 1709
Vorläufiges Ende
Entgegen den Archivunterlagen entwickelte sich die Legende, dass die fällige Versicherungssumme nie ausgezahlt worden sei. Dem damaligen Feuerkassendirektor Graf Wittgenstein wurde unterstellt, das Geld stattdessen für die königliche Hofhaltung entnommen zu haben. In letzter Konsequenz soll dieser Umstand zur Auflösung der General-Stadt- und Landfeuerkasse geführt haben. 1711 verfügte der König ihre Auflösung – forderte aber gleichzeitig die Magistrate und Kommunen dazu auf, neue Vorschläge zu unterbreiten.



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1685
Feuertaufe
1718–1731. Königliche Weihen für eine Feuerversicherung auf Gegenseitigkeit: Der Anfang ist gemacht, das Wachstum beginnt – Stadt und Feuersozietät wachsen schnell. Und werden zum Vorbild. > Die Feuertaufe wagen.
Feuertaufe
1718 wurde die Feuersozietät Berlin gegründet und entwickelte sich schnell zum Vorbild für viele weitere Städte und Regionen. Doch schon bald musste sie sich den ersten großen Bewährungsproben stellen.
Die Gründung der Feuersozietät 1718
Auf Anweisung König Friedrichs entwickelte Berlin neue Vorschläge für eine Feuerversicherung. Als dieser im Februar 1713 starb, übernahm sein Sohn König Friedrich Wilhelm I. die Nachfolge. Für ihn jedoch war die Einrichtung einer Berliner Brandschutzversicherung nachrangig. Erst Ende 1718 unterzeichnete er das Reglement und besiegelte den Gründungsakt der Berliner Feuersozietät.
König Friedrich Wilhelm I.
(1688 – 1740)
Die Feuersozietät wächst und etabliert sich

Geschäftsgebiet und Versicherungszwang
Das Berliner Reglement enthielt keine räumliche Beschreibung des Geschäftsgebiets. Es legte lediglich fest, dass sich die Feuersozietät auf die Residenzen und deren Vorstädte bezog.

Um die Zahlungen auf viele Schultern zu verteilen, waren alle Hauseigentümer dazu verpflichtet, der Feuerkasse beizutreten. Für bestimmte Bewohner, wie Angehörige des Hofs oder Geistliche, galt dieser Versicherungszwang jedoch nicht.

1721, drei Jahre nach der Gründung, gehörten bereits 4.573 Versicherte der Feuersozietät an.

Taxation
Der Wert jedes Hauses wurde geschätzt und in einem Kataster registriert, das alle zwei Jahre aktualisiert werden sollte. Als Minimum war die Hälfte des Gebäudewerts zu entrichten. Bei Zahlungsversäumnissen waren das Kriegs-, Hof- und Criminal-Gericht oder der Magistrat berechtigt, den Betrag einzutreiben.

Leitung der Berliner Feuersozietät
Die Direktoren der Feuersozietät waren zur ehrenamtlichen Tätigkeit verpflichtet, dabei rotierten die Ämter jeweils nach einer Revision. Das Direktorium setzte sich aus zwei Mitgliedern des Stadtrats und zwei vom König bestimmten Eximierten zusammen.

Erstattung und Wiederaufbau
Das Reglement bestimmte den Zwang zum Wiederaufbau eines abgebrannten Gebäudes. Eine Bereicherungsmöglichkeit durch Brandschaden war damit unterbunden. Zugleich konnte das Geld nicht in andere Regionen abfließen, sondern blieb in der Stadt. Neben der Erstattung der Kosten für den Wiederaufbau waren auch die Schäden an Nachbarhäusern und Löschgeräten auszugleichen.

Überblick über die Zahl der überbauten Grundstücke. Nach 1718 erstreckte sich das Geschäftsgebiet der Feuersozietät auf folgende Stadtviertel sowie die angrenzenden Vororte.

Weitere Entwicklung
Keine zwei Jahre nach Gründung der Feuersozietät war bereits die erste große Herausforderung zu bewältigen: Am 12. August 1720 explodierte trotz strenger Sicherheitsvorkehrungen der Pulverturm am Spandauer Tor. 76 Menschen kamen ums Leben, viele weitere wurden verletzt. Die Ursache konnte nie ermittelt werden.

Explosionsschäden waren laut Statut eigentlich durch die Feuerversicherung nicht abgedeckt, doch für den Brand infolge der Explosion wurde eine Erstattung von 3.000 Reichstalern geleistet.

Brand der Petrikirche im Jahr 1730

Die Geschichte der Petrikirche spiegelt die Geschichte der ganzen Stadt: Aufbau und Zerstörung im stetigen Wechsel – sei es durch große Brände oder große Kriege. Nur eins blieb immer gleich: Der Wunsch, an dieser Stelle Zeichen zu setzen.

Die Kirche St. Petri im Zentrum Cöllns, die vermutlich schon seit dem 13. Jahrhundert bestand, sollte unter der Herrschaft von Friedrich Wilhelm I. umgestaltet werden. Der König wollte ein Zeichen setzen: Mit 107 Metern sollte der Kirchturm der höchste Bau in ganz Europa werden. 1726 begannen die Arbeiten, zu Pfingsten 1730 waren sie schon fast abgeschlossen. Da zog am Pfingstsonntag ein schweres Gewitter über die Stadt. Plötzlich erblickte man über der oberen Haube von St. Peter ein hell brennendes Licht. Der Blitz hatte oben gezündet, mit rasender Schnelligkeit verbreitete sich das Feuer. Alle Versuche, zu löschen, waren vergeblich. Die Kirche wurde komplett zerstört, auch die nahe gelegene Lateinschule und 37 Bürgerhäuser fielen dem Feuer zum Opfer.

Ruinen der Petrikirche in Berlin nach dem Brande 1730

Für den Neubau der Petrikirche spendete der König 30.000 Taler. Schon 1733 konnte sie eingeweiht werden, nur der Turm befand sich noch im Bau. Am 21. August 1734 stürzte die gesamte Konstruktion ein. Es dauerte vier Jahre, bis wieder Mittel bereitstanden. Nun wurde der Turm bis auf die Höhe des Kirchenbaus errichtet und zum Eingang umgenutzt. Doch im September 1809 brannte sie erneut. Erst 1853 konnte die neue, im neugotischen Stil erbaute Kirche wieder eingeweiht werden.

Doch Geschichte wiederholt sich: Im April 1945 nutzten Trupps der SS den Kirchturm als Wachposition. Bevor sie sich zurückzogen, legten sie im Kirchturm Feuer, dieser ging zusammen mit dem Kirchenschiff in Flammen auf. Die Ruine wurde in den Jahren 1960 bis 1964 abgerissen. An der Stelle, wo die Kirche stand, soll in Zukunft ein „interreligiöses Bet- und Lehrhaus“ entstehen – als „House of One“.

Die Feuersozietät macht Schule

Nach dem Vorbild der Berliner Feuersozietät wurden unter Friedrich Wilhelm I. weitere Feuersozietäten errichtet. Auch diese waren als öffentliche Versicherungen angelegt, für die ein Beitrittszwang galt und bei der die Brandentschädigung nur zum Wiederaufbau erfolgte.



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1718
Anfangsjahre
1731–1814. Chaotische Brandbekämpfung trifft auf neue Reglements, wirtschaftlicher Aufschwung wird begleitet von kriegerischer Stimmung. Es sind wechselhafte Zeiten, geprägt vom Alten Fritz und von Napoleon. > Den Anfang machen.
Anfangsjahre
Mit Friedrich II. stieg sein Herrschaftsgebiet zur fünften Großmacht in Europa auf. Und Berlins Bedeutung stieg mit, auch wirtschaftlich. Doch zum Ende des 18. Jahrhunderts kam die Dynamik dieser Entwicklung zum Erliegen – Reformen waren dringend nötig.
Berlin als Haupt- und
Residenzstadt
König Friedrich Wilhelm I. schenkte seine Aufmerksamkeit vor allem dem Ausbau des Militärs. Mit der Entlassung von zahlreichen Beamten des Hofs sowie weitreichenden Eingriffen zugunsten des Militärs löste er vorübergehend eine Wirtschaftskrise aus. Da nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges keine Kasernen zur Verfügung standen, mussten private Häuser Soldaten bei sich aufnehmen. Leicht nachvollziehbar, dass die zivilen Bewohner der Stadt von der Privilegierung des Militärs wenig angetan waren.

Links: Darstellung eines unbekannten Grenadiers, ein sogenannter Langer Kerl, vom Roten Leibbataillon der Riesengarde Friedrich Wilhelm I.

Rechts: Der Brand auf dem Mühlendamm, Berlin, um 1759; Stiftung Stadtmuseum Berlin, Reproduktion: Michael Setzpfandt, Berlin

Auf dem Weg zu mehr Struktur

Die Brandbekämpfung war bürgerlich organisiert, was häufig zum Chaos führte.

1727 wurde mit einer neuen Feuerordnung versucht, ein Regelwerk zur Abwendung der Feuergefahr, zur Beschaffung von Gerätschaften, für die Bekämpfung eines Brandes sowie Verhaltensmaßregeln zur Warnung und Löschung im Brandfall zu schaffen. Diese Feuerordnung regelte etwa, dass Schornsteine gemauert und dass Zünfte oder Rathäuser mit notwendigen Gerätschaften zur Löschung von Bränden in ihren Häusern ausgestattet sein mussten.

Kunstpfeifer mussten Wache halten und im Brandfall nachdrücklich pfeifen, dann sollten Laternen an den Häusern entzündet werden. Die zuständigen Feuerherren hatten sich um die Anfuhr des Wassers zu kümmern. Bürger-Offiziere und Eigentümer koordinierten die Löschmaßnahmen. Sämtliche Einwohner waren verpflichtet, Pferde für Löschmaßnahmen zur Verfügung zu stellen sowie tüchtige Personen ihres Dienstpersonals als Helfer zum Löschen zu schicken. Die Brandbekämpfung war also eine bürgerschaftlich organisierte Angelegenheit, doch im Einzelfall waren die Verantwortlichkeiten längst nicht so eindeutig geklärt. Oft war Chaos die Folge.

Ledereimer für Wasser zur Brandbekämpfung

Brandverhütung auf der einen, Entschädigung auf der anderen Seite

Nach einem gelöschtem Brand lag es beim Magistrat, die genaue Ursache zu ermitteln. Diejenigen, die mit besonderem Eifer beim Löschen geholfen hatten, wurden besonders belohnt. Auch wurden Hilfen für Menschen, die beim Einsatz zu Schaden gekommen waren, fixiert. Mit dieser Feuerordnung wurde der Versuch unternommen, die Entstehung von Bränden zu vermeiden und Regeln für die Brandbekämpfung zu formulieren. Während die Feuerordnung vor allem der Brandverhütung und ‑bekämpfung diente, trat die Berliner Feuersozietät zur Entschädigung für die Schäden ein.

Friedrich II von Preußen als junger Heerführer

Ein neuer König

Friedrich II. entschied selbst, was seinem Volk gut tat. Egal, wie sein Volk dazu stand.

Öffentliche Verwaltung und Ziele staatlichen Handelns im 18. Jahrhundert
Sowohl König Friedrich Wilhelm I. als auch sein Sohn Friedrich II. bauten während ihrer Regierung die absolutistische Herrschaft aus, wozu nach damaligem Verständnis auch die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates gehörte.

Nach Übernahme der Regierung durch Friedrich II. wurde der Anschluss an die Hochkultur nach französischem Vorbild gesucht. Der schöngeistige Friedrich II. umgab sich mit ungebundenen Geistesgrößen wie Voltaire, doch stellte er aus Nützlichkeitserwägungen seine in jüngeren Jahren formulierten Prinzipien oftmals zurück. Der vom König praktizierte Absolutismus zeichnete sich dadurch aus, dass er allein entschied, was dem Gemeinwesen und der Glückseligkeit seiner Untertanen dienlich war – unabhängig davon, wie diese dazu standen.

Das bürgerliche Leben sollte abgesichert werden. Gesellschaft am Fenster, Daniel Chodowiecki, 1757; Stiftung Stadtmuseum Berlin, Reproduktion: Christel Lehmann, Berlin

Neue Manufakturen fordern mehr Absicherung

Mit dem territorialen Zugewinn von Schlesien, Westpreußen und Teilen des Adelsstaats Polen stieg das Herrschaftsgebiet König Friedrichs II. zur fünften Großmacht in Europa auf. Auch in den neu errungenen Gebieten wurden Feuersozietäten gegründet.

Die Hauptstadt Berlin gewann als Produktionsort und als Handelsplatz an Bedeutung. Rund um den breiten Mühlendamm entwickelte sich ein reges geschäftliches Treiben. Arkaden gaben dem Ganzen ein einheitliches Erscheinungsbild. Am 8. Mai 1759 brach hier, ausgehend von der sogenannten kleinen Mittelmühle, ein großes Feuer aus: Zwei Mühlengänge mit den davor befindlichen Häusern und Bogenlauben brannten ab. Umgehend wurden neue Bauten als Ersatz errichtet, deren Obergeschosse nun auch offiziell zu Wohnzwecken ausgelegt waren.

Im Juni 1765 wurde vom König eine unabhängige staatliche Bank als Giro-, Diskonto- und Lehnbank in Berlin errichtet. Auf diese Weise sollten Kredite mit „mäßigen“ Zinsen vergeben und der Geldfluss befördert werden. Zugleich wurde versucht, durch restriktive Einfuhrbestimmungen einen Anreiz zu schaffen, Waren innerhalb des Staatsgebiets zu produzieren. Insgesamt war die Textilproduktion in Preußen ein wesentlicher Wirtschaftszweig, der maßgeblich auch für den Export entwickelt wurde. Garne und Wolle lagerten offen, die künstliche Beleuchtung erfolgte mit offenem Feuer, die Gefahren eines Brandes waren alltäglich zu bewältigen. Nur wenn die Textilbetriebe in Berlin in staatlichen Gebäuden untergebracht waren, hatten sie sich nicht bei der Feuersozietät zu versichern, ansonsten mussten die Eigentümer der Feuerkasse beitreten. In der konkreten Fortschreibung des Gebäudekatasters hatte sich im Laufe der Zeit herausgestellt, dass oftmals Neubauten von den Eigentümern nicht gemeldet worden waren und auf diese Weise eine Unterversicherung des Gesamtobjekts bestand.

Beim Löschen, Johann Friedrich Schleuen (ohne Jahresangabe)

Neues Reglement für die Feuersozietät

Der Nachfolger Friedrichs II., sein Neffe Friedrich Wilhelm II., fühlte sich kaum berufen, die Leerstelle auszufüllen, die sein mächtiger Vorgänger hinterließ. 1790 wurden die Reglements für die Feuersozietät erstmalig angepasst, 1795 traten sie in Kraft. Die Änderungen für die Feuersozietät durch das Reglement von 1794 betrafen im Einzelnen folgende Bestimmungen:

Geschäftsgebiet:
Mit der Neuregelung wurde das Geschäftsgebiet auf die Vorstädte ausgedehnt.

Aufnahme ins Kataster und Taxation:
Eintragungen für Neuaufnahmen in das Brandkataster sollten nur einmal jährlich vorgenommen werden. Besonders der Feuersgefahr ausgesetzte Gebäude, wie beispielsweise Pulvermühlen, waren von der Aufnahme in die Feuersozietät ausgeschlossen. Dafür konnten von nun an auch Kellergebäude, die zuvor ausgeschlossen waren, aufgenommen werden.

Neuwertversicherung:
Im Falle eines Brandschadens musste von nun an ermittelt werden, welche Kosten ein Neubau verursachen würde. Im Vergleich zum ursprünglich taxierten Wert sollte zugleich die Differenz ermittelt werden und zwischenzeitlich erfolgte Preissteigerungen dem Eigentümer ebenfalls ausgezahlt werden. Dies entsprach einer Erstattung zum Neuwert.

Lokal zuständige Feuerherren:
Es wurden neun lokale Feuerreviere bestimmt, in denen verantwortliche Feuerherren die Abschätzung neu aufzunehmender Gebäude vornehmen und im Falle von Bränden die Schäden kalkulieren sollten.

Blick von der Fischerbrücke spreeaufwärts, 1784

Erstattung von Aufwendungen sowie sonstigen Schäden:
Allgemein wurden entschädigt: Schäden durch Löschmaßnahmen an Nachbargebäuden und -gärten, an öffentlichen Feuergeräten, an Personen, die beim Löschen helfen. Ebenso wurden Schäden durch Blitzeinschläge entschädigt. Darüber hinaus wurde eine Belohnung für Handwerker, die beim Löschen helfen, sowie für Taxatoren festgelegt.

Sicherungsvermögen:
Als eiserner Bestand wurde ein Sicherungsvermögen in Höhe von 5.000 Reichstalern festgeschrieben.

Einführung von Gefahrenklassen:
Mit der Differenzierung verschiedener Windmühlentypen, die unterschiedlich hohe Beiträge leisten mussten, entstand die erste Form der Staffelung von verschiedenen Gefahrenklassen.

Direktorium der Feuersozietät:
Nach dem neuen Reglement sollte die Feuersozietät von einem ständigen Direktorium geleitet werden, das nicht wie zuvor nach einer Revision rotierte.

Die Konstanten im Reglement der Feuersozietät von 1794:
Um den „den Realkredit zu sichern“, sollten hypothekarische Lasten, die auf einem überbauten Grundstück lagen, nicht durch den Verlust des Gebäudes verloren gehen.

Versicherung auf Gegenseitigkeit:
Die Versicherung war als öffentliche Einrichtung weiterhin nicht dafür ausgelegt, Profit zu erzielen. Es wurde nur das Geld eingesammelt, was benötigt wurde.

Versicherungszwang:
Es galt weiterhin die allgemeine Versicherungspflicht, auch Angehörige des Hofes sowie öffentliche Gebäude und Kirchen waren nun davon betroffen. Lediglich die Schlösser des Königs und die Paläste der Prinzen waren von der Versicherungspflicht ausgenommen.

Umlageverfahren:
Die Beträge wurden jährlich auf der Grundlage der Schadensummen des vorangegangenen Jahres ermittelt und auf die Mitglieder umgelegt.

Geschäftsjahr:
Bis zum Jahr 1800 verlief das Geschäftsjahr deckungsgleich mit dem Kalenderjahr. Erst ab 1801 wurde es auf den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 30. September umgestellt.

Stillstand unter französischer Besatzung

1806 kam es unter Friedrich Wilhelm III. zu einer erneuten kriegerischen Auseinandersetzung mit Frankreich, in der das preußische und sächsische Heer vernichtend geschlagen wurde. Der König floh mit seiner Familie nach Königsberg. Erst 1811 zogen die französischen Truppen wieder aus Berlin ab. Zwischen Aufbruch und Stagnation schwankend verharrte die Entwicklung in der Stadt. Der Krieg bewirkte, dass kaum mehr gebaut wurde. Für die Feuersozietät schlug sich das in geringeren Zuwachsraten nieder.



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1731
Gründerboom
1814–1914. Die Industrialisierung verändert alles. Die Reichsgründung macht Berlin zur deutschen Hauptstadt. Berlin wird zur Stadt der Fabriken und Mietskasernen. Die Feuersozietät entwickelt sich mit. > Beim Boom dabei sein.
Gründerboom
Die Entwicklung Berlins zwischen 1814 und 1914 verlief rasant. Die Industrialisierung veränderte alles: Namen wie Borsig, Siemens und AEG sorgten schnell für den Ruf der Stadt als einer der größten Industriemetropolen Europas. Mit dem Boom Berlins wuchs auch die Feuersozietät. Ihr Sitz im Roten Rathaus und später im Stadthaus zeigen, wie untrennbar sie zu Berlin gehörte.
Die Industrialisierung
steckt voller
Herausforderungen

In der Zeit der Besetzung war die Bautätigkeit in Berlin fast völlig zum Erliegen gekommen. Doch nach dem Wiener Kongress stärkte sich das preußische Selbstbewusstsein. Die alte Kernstadt befand sich ständig im baulichen Umbruch, zugleich dehnten sich die Erweiterungsgebiete aus. Zahlreiche neue Häuser entstanden und mit ihnen die neuen Verkehrswege. 1838 fuhr die erste Eisenbahn von Berlin nach Potsdam und bald wuchs das lockere Netz von Bahnverbindungen immer engmaschiger zusammen.

Wasserwerke, Krankenhäuser, Post- und Gerichtsgebäude und Hochschulen wurden gebaut. Und für all diese groß dimensionierten Bauten musste geprüft werden, inwiefern eine Brandgefahr von ihnen ausgehen würde. Die Transformationen des städtischen Gemeinwesens wirkten sich also unverkennbar auch auf den Betrieb der Feuerversicherung aus.

Fabrik von Borsig in Moabit, Berlin 1887

Das 19. Jahrhundert schreitet voran. Die Feuersozietät hält Schritt

Die technische Revolution zog immer weitere Kreise in der Hauptstadt. Doch Produktivitätsraten der Industrie als einzigen Parameter wirtschaftlicher Entwicklung zu fassen, greift zu kurz. Auch die stabilisierende Funktion der Kapitalsicherung durch die Feuerversicherung ist nicht zu unterschätzen. Denn wenn das Kapital, das für eine Immobilie eingesetzt wurde, abgesichert war, stellte dies einen entscheidenden Faktor für die weitere Investitionsbereitschaft von Geldgebern und ihre dauerhafte Ansiedlung dar.

1831 führte das Zusammenleben der Menschen auf engem Raum unter meist schlechten hygienischen Bedingungen zur schnellen Ausbreitung der Cholera. 1.426 Menschen fielen ihr zum Opfer. Viele Menschen erwarteten von König Friedrich Wilhelm IV., der 1840 den Thron bestieg, Reformen und politische Veränderung. Doch wirkliche soziale und politische Verbesserungen blieben aus. Immer wieder flammten zornige Proteste gegen die sozialen und politischen Gegebenheiten auf. Der Weg zum mündigen Bürger war jedoch noch lang. 1848 „beschenkte“ der König sein Land mit einer Verfassung, die darauf beharrte, dass er von Gottes Gnaden eingesetzt worden sei. Zwar galt Preußen nun als konstitutionelle Monarchie, doch viele der errungenen Änderungen, die den Forderungen der März-Revolutionäre gefolgt waren, wurden bald wieder zurückgedreht.

Planvolle Entwicklung der Stadt – auch bei der Brandbekämpfung

Mit der Reichsgründung 1871 wurde Berlin Hauptstadt des Reichs. 1880 wurde die Millionengrenze bei der Bevölkerungszahl überschritten. Der Ausbau der Kanalisation und Entwässerung erschien infolge einer erneuten Choleraepidemie im Jahr 1866 dringlicher denn je. Anders als bei der Versorgung mit Gas und Wasser übernahm die Stadt selbst die Errichtung der Schwemmkanalisation mit Radialsystemen und anschließender Ableitung in Rieselfelder weit vor der Stadt.

Feuerlöschwesen in Berlin
Auch in der Brandbekämpfung gab es im Laufe des 19. Jahrhunderts zahlreiche Veränderungen. Die Funktion der Nachtwächter als Feuerwächter wurde ab 1851 durch die telegrafische Übermittlung ersetzt. Sukzessiv wurden die für das Löschen zuständigen Stellen per Telegrafie miteinander verbunden. In Privathaushalten wurde das Wasser trotz des öffentlichen Wassernetzes – vermutlich aus Ersparnisgründen – oftmals weiterhin aus den Brunnen geholt. Für die Löschung von Bränden war jedoch der kostenlose Zugriff auf die Wasserleitungen vereinbart, über Hydranten wurde der Anschluss der Feuerschläuche möglich, was eine erhebliche Verbesserung der Löscheinsätze bewirkte. Erster fest angestellter Branddirektor in Berlin wurde Karl Scabell, der sich erfolgreich für die Etablierung einer Berufsfeuerwehr einsetzte.

Übung mit der um 1855 verwendeten Handdruckspritze

Mit der Neuorganisation des Feuerlöschwesens wurden auch viele Leistungsverpflichtungen der Feuersozietät der veränderten Situation angepasst. In einem gemeinsamen Beschluss des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung wurde der finanzielle Anteil festgelegt, den die Feuersozietät von den Aufwendungen zum Feuerlöschwesen zu übernehmen hatte. Die Beiträge der Feuersozietät zum Feuerlöschwesen der Stadt beanspruchten einen erheblichen Anteil ihres Etats.

Entwicklung der Feuersozietät
Durch die rasante Entwicklung Berlins nach 1850 wuchsen auch die Aufgaben der Feuersozietät. Allein zwischen 1860 und 1865 konnte die Feuersozietät ein Plus von 3.158 Gebäuden verbuchen. Die Stadtgrenze hatte sich verschoben und weitere Gebäude fielen nun in den Geschäftsbereich der Feuersozietät. 1881 wurde bei der Feuersozietät die Schwelle von 2 Milliarden Mark bei der Versicherungssumme überschritten, 1891 die von 3 Milliarden Mark und 1900 lag der Versicherungswert bei über 4 Milliarden Mark.

Reichstaler

Die eiserne Reserve der Feuersozietät im 19. Jahrhundert
Eine Reihe von großen Bränden führte Anfang des 19. Jahrhunderts dazu, dass andere Institutionen mit Vorschüssen einspringen mussten, da die Feuersozietät über kein ausreichendes Polster verfügte, um die Schäden in der gebotenen Frist zu erstatten. Doch eine vom Magistrat angepeilte Aufstockung der eisernen Reserve wurde vom Ministerium des Innern verhindert.

Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts scheiterten alle Versuche, eine Anpassung des Betriebsfonds zu erreichen. Erst nach vielen Jahren strengen Wirtschaftens sollte sich die Lage im 20. Jahrhundert entspannen.

1869 zieht die Feuersozietät ins Rote Rathaus

Eine neue Regelung besagte ab etwa 1821, dass abgebrannte Holzgiebel nicht in der gleichen Form wieder neu errichtet werden durften. Damit ein Gebäude wieder aufgebaut werden konnte, mussten höhere Kosten für eine massive Ausführung der Dachgiebel aufgewendet werden. In ähnlicher Weise wurde nach 1837 mit den nicht massiv ausgeführten Wänden zu Nachbargebäuden oder ‑grundstücken verfahren.

Organisation der Feuersozietät in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
1810 wurde das Direktorium abgeschafft und die Leitung der Feuersozietät beim Magistrat angesiedelt. 1877 wurde eine Deputation aus Magistratsmitgliedern errichtet, die 1891 durch eine Deputation, bestehend aus drei Magistratsmitgliedern und sechs Stadtverordneten, ersetzt wurde. In der inneren Organisationsstruktur bündelte nach 1849 ein General-Feuerherr die Aufgaben der lokalen Feuerherren.

Sitz der Feuersozietät
Aus der engen Anbindung der Versicherung an den Magistrat ergab sich auch die Unterbringung im Roten Rathaus. Als 1911 zwischen Molkenmarkt und Klosterstraße ein neues Stadthaus errichtet worden war, zog die Deputation der Städtischen Feuersozietät hierher um. Seit diesem Umzug hatte Oberstadtsekretär Maaß viele Jahre das Amt des Bürovorstehers inne.

Links: Rotes Rathaus, o.J., Ansichtskarte

Rechts: Der Mühlendamm in Berlin vom Molkenmarkt gesehen, Johann Friedrich Stock, 1833; Stiftung Stadtmuseum Berlin

Die Jahrhundertwende: Berlin wird Mieterstadt

Das neue Reglement von 1913
Mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch hatte das Zivilrecht 1900 gewissermaßen einen Quantensprung gemacht. Auch für den Sektor des Versicherungswesens ergingen nun klare Regelungen. Das „Gesetz betreffend die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten“ von 1910 hielt fest, dass diese „im Interesse des gemeinen Nutzens und nicht zu Erwerbszwecken“ tätig werden sollten. Nun wurde unmissverständlich festgehalten, dass es sich bei diesen Feuerversicherungsanstalten um Körperschaften des öffentlichen Rechts handelte. Allerdings machte das Gesetz von 1910 auch die Neugestaltung der rechtlichen Grundlage der Berliner Feuersozietät erforderlich.

1913 wurde eine auf sie zugeschnittene Satzung erlassen. Dabei wurden viele der bewährten Vorschriften beibehalten. In der Satzung wurde festgelegt, dass die Feuersozietät ihren Sitz im Bezirk des Amtsgerichts Berlin-Mitte haben sollte. Neben Brandschäden wurden auch Blitzschlag- und Explosionsschäden abgedeckt. Weiterhin galten die Verpflichtung zum Wiederaufbau nach einem Brand sowie die Neuwerterstattung. Der „eiserne Bestand“ wurde auf 15.000 Mark erhöht.

Eine Reportage-Fotografin fotografiert von einem Kran am noch im Bau befindlichen Berliner Stadthaus, im Hintergrund links der Berliner Dom, rechts das Rote Rathaus, 1909

Berlin um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert
Schon 1900 war die Bevölkerungszahl Berlins auf rund 2,5 Millionen Menschen angestiegen. Ganze neue Stadtviertel entstanden. Ein Bevölkerungszuwachs in dieser Dimension zog zwangsläufig einen erheblichen Bedarf in allen öffentlichen Bereichen des Lebens nach sich, bei der Schaffung von Wohnraum, der Verbesserung der Infrastruktur, des Verkehrsnetzes und der öffentlichen Verwaltung. Doch mit Beginn des Kriegs im August 1914 wurde die weitergehende Umsetzung der hochgesteckten Ziele erst einmal gestoppt.



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1814
Metropolenmarke
1914–1933. Nach dem Weltkrieg wird Groß-Berlin gegründet, die Goldenen Zwanziger lassen die Metropole strahlen. Schattenseiten von Inflation bis Wohnungsnot gehören dazu. > Die Magie der Metropole spüren.
Metropolenmarke
Der Erste Weltkrieg forderte tausende Todesopfer und verschlang große Teile der wirtschaftlichen Grundlagen. Nach dem Krieg war vor der Krise – es folgten die Inflationsjahre. War die Feuersozietät bis dahin eine reine Verwaltungseinrichtung, musste sie sich in einem Teil ihres Geschäftsgebiets nun erstmals gegen Konkurrenten behaupten.

Weltkrieg und
neue Zeit

Aufgrund des Krieges stagniert die Versicherungs-Wirtschaft. Das galt auch für die Berliner Feuersozietät.

Während Tausende von Menschen starben, verschlang der Krieg ab 1914 große Teile der wirtschaftlichen Grundlagen Deutschlands. Schon bald machten sich im Alltag der Menschen Versorgungsengpässe bemerkbar. Auch bei der Feuersozietät: Personell war die Arbeit kaum mehr zu bewältigen. Wie in vielen Bereichen wurden nun erstmals Frauen eingesetzt. Auch waren kaum Zuwächse an neuen Verträgen zu verzeichnen: eine direkte Folge der ausgesetzten Bautätigkeit.

In den Kriegsjahren war die Belastung der Feuersozietät durch Aufwendungen für die Begleichung von Schäden sowie ihre Beteiligung an den Feuerlöschkosten erheblich gestiegen. Hatte die jährliche Umlage der Versicherung vor Kriegsbeginn bei 0,57 Promille pro 100 Mark Versicherungssumme gelegen, stieg sie im Jahr 1917 auf immerhin schon 0,8 Promille an. Und das sollte noch nicht das Ende der Entwicklung sein.

Lebensmittelkarte für Berlin, September 1920

Die Formierung zu „Groß-Berlin“ bringt vor allem Veränderungen im Geltungsbereich der Feuersozietät.

Allgemeine Versicherungsbedingungen – 1917
Infolge der Satzung von 1913 traten 1917 die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) in Kraft. Diese ermöglichten erstmals die Erhebung von ad hoc angesetzten Zwischenbeiträgen, die schon wenig später als Instrument zur laufenden Deckung des Finanzbedarfs eingesetzt werden mussten. Gleichzeitig wurden die Gefahrenklassentarife von vier auf drei reduziert.

1918 wurde der Kaiser abgesetzt und nach kurzer Revolution in der Hauptstadt die Republik ausgerufen. Der Krieg war zu Ende, doch Frieden war damit noch nicht erreicht – und auch kein geregelter Alltag.

Groß, größer, Groß-Berlin
1920 formierte sich Berlin mit allen Vororten und angrenzenden Städten zu „Groß-Berlin“ – mit über 4 Millionen Einwohnern. Nach jahrelangem Tanzverbot gab es nun endlich wieder Bälle und freizügige Tanzlokale, Kinos und blinkende Lichtreklame. Schallplattenverlage verbreiteten die Klänge von Jazz und Swing, während immer neue Baustellen für U- und S-Bahn die Straßenzüge durchwühlten. Politische Gruppen suchten die Konfrontation auf den Straßen, politische Attentate der Rechten ließen Tote zurück.

Die Feuersozietät wurde in diesen Jahren vor neue Herausforderungen gestellt: Die ältere Bestimmung der Zwangsverpflichtung für sämtliche Hausbesitzer galt lediglich für Alt-Berlin weiter, in den neu hinzugekommenen Stadtteilen hatte sie keine Geltung mehr – hier hatte das Monopol der Feuersozietät ein Ende. Zahlreiche private Feuerversicherungen waren schon länger aktiv, auch die Feuersozietät der Provinz Brandenburg kämpfte um Kundschaft auf dem Berliner Markt.

Wappen der Stadt Groß-Berlin von 1920 – 1935

Die Entwicklung der Städtischen Feuersozietät von Berlin
Seit Kriegsbeginn war die jährliche Umlage der Feuersozietät gestiegen. 1923, im Jahr der Hyperinflation, schossen die Verpflichtungen der Feuersozietät sprungartig auf die Höhe von 10.416.420.030.989.447,97 Mark, mehr als 10 Billiarden Mark. Nach der Umstellung auf die Rentenmark 1923 reduzierte sich der Betrag auf 10.416,42 Rentenmark.

Entwicklung der jährlichen Umlagen von 1913 bis 1922

Absicherung dank Rückversicherung
Nach dem Geschäftsjahr 1922/23 vereinbarte die Feuersozietät Berlin eine Rückversicherung beim Gemeinnützigen Deutschen Rückversicherungsverband A.G., der eine Gründung des Verbands der öffentlichen Feuerversicherungsunternehmen war.

Rücklagen ausdrücklich erwünscht
Mit Inkrafttreten der Satzung von 1913 war es der Feuersozietät nicht mehr verboten, Rücklagen zu bilden. Entsprechend hatte sie einen Betriebsfonds in Höhe von 1 Million Mark sowie einen ergänzenden Sicherheitsfonds aufgebaut, der 2 Millionen Mark betragen sollte. Im Geschäftsjahr 1930/31 kalkulierte man die Notwendigkeit, entsprechend dem Volumen des Versicherungsbestands, Rücklagen in Höhe von 6.408.900 Reichsmark zu bilden. Umgehend wurden entsprechende Schritte zur Anpassung der Fonds eingeleitet.

Änderungen der Satzung sowie der AVB
Ab 1924 wurden zahlreiche Veränderungen beschlossen, auch die Satzung wurde modifiziert. Als Voraussetzung für die Neuwertversicherung war nun jeweils eine aktualisierte Schätzung des Gebäudes vorgesehen. Auch waren jetzt Explosionsschäden abgedeckt und die Versicherung von Rohbauten eingeschlossen.

Neues Bauen für Berlin
Die von der öffentlichen Hand in die Wege geleiteten Großbauvorhaben wurden vor allem von dem sehr agilen Stadtbaurat Martin Wagner angestoßen. Alles war auf Fortschritt und Dynamik ausgelegt. Eine Reihe von Gebäudekomplexen entstand, die den städtischen Raum auf neue Weise rhythmisch strukturierten.

Die Berliner Feuersozietät zeigte Standvermögen. 1930 überschritt sie mit 34.081 versicherten Gebäuden die Schwelle der Versicherungssumme von 10 Milliarden Reichsmark. Zum 1. Januar 1932 trat die Feuersozietät dem Verband der öffentlichen Versicherungsanstalten bei, der sich mit seinem Hauptsitz in Berlin niedergelassen hatte.

Verband der öffentlichen Feuerversicherungs- anstalten und sein Sitz in Berlin

Nach der Reichsgründung hatten sich öffentliche Feuerversicherungsanstalten einzelner Länder und Kommunen zum „Verband öffentlicher Feuerversicherungsanstalten in Deutschland“ zusammengeschlossen. Dieser Schritt war eine Reaktion auf die zunehmende Konkurrenz durch private Versicherungsunternehmen. Es ging den öffentlichen Anstalten vor allem darum, die Rückversicherungsmöglichkeit für die Mitglieder sowie eine „über die Versicherungspflicht der einzelnen Anstalten hinausgehende Versicherungsgelegenheit“ zu schaffen. 1933 schwenkte auch der Verband der öffentlichen Feuerversicherer auf die Linie der nationalsozialistischen Machthaber ein; seine Publikationen waren von nun an durch ein völkisch-nationalistisches Erscheinungsbild geprägt.

Unmittelbar nach Kriegsende bezogen 1945 die vier Alliierten das Gebäude und errichteten hier die Alliierte Kommandantur für Berlin. Die vier Besatzungsmächte teilten sich an diesem Ort die Verantwortung über die Verwaltung des aufgeteilten Berlins.

Ehemaliger Sitz des Verbands der öffentlichen Feuerversicherer, heute Präsidium der FU Berlin

Organisation der Feuersozietät

Im Jahr 1932 bezog auch die Städtische Feuersozietät Berlin erstmals einen eigenen Standort: Molkenmarkt 4. Der Magistrat hatte dort drei Gebäude erworben, von denen eines nun der Feuersozietät gegen Entrichtung einer Nutzungsgebühr überlassen wurde.

Molkenmarkt in Altberlin, 1902

Die Städtische Feuersozietät war zugleich weiterhin eine der sogenannten Deputationen des Magistrats, die Mitglieder der Deputation stellten gewissermaßen den Verwaltungsrat. Die formelle Vertretungsfunktion für die Feuersozietät hatte der Vorsitzende der Deputation inne. Diese Aufgabe nahm ab 1930 Hermann Jursch wahr. Seit 1918 Direktor der Deutschen Girozentrale, war Jursch auch als Berliner Kommunalpolitiker sehr umtriebig und gehörte noch anderen Deputationen des Magistrats an. Er wird vermutlich in stärkerem Maße, als dies bei seinen Vorgängern der Fall gewesen war, geschäftliche Strategien vorangetrieben haben.

Brand bei
Herrmann Tietz, Chausseestraße

Mittwoch, 30. Januar 1929, Chausseestr. 69-71, Wedding, gegen 20 Uhr: Das Warenhaus Hermann Tietz, eines der größten in dieser Gegend, gerät in Brand.

Warenhäuser entstanden im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und verzeichneten schon bald starke Umsatzzuwächse. Anders als bei Kaufhäusern waren sie nicht auf eine Branche beschränkt, sondern boten ein breites Sortiment von Spielwaren, Möbeln, Musikinstrumenten, Büchern und Lebensmitteln. Im Warenhaus gelangten industriell gefertigte Serienprodukte zu günstigen Preisen an die Kundschaft und es gab die Möglichkeit des Warenumtauschs. Da ein Großteil der Gründer der Warenhäuser in Deutschland Juden waren, ging die sozialpolitische Kritik am Warenhaus oft mit antisemitischer Hetze einher. Das Unternehmen Hermann Tietz, gegründet 1882 von dessen Neffen Oscar Tietz, entwickelte sich in den 1920er-Jahren zu einem der vier großen, europaweit agierenden Warenhauskonsortien. 1927 erwarb das Unternehmen das KaDeWe.

Warenhaus Hermann Tietz, Brand am 30.1.1929, Chausseestraße 69 – 71, Bezirk Wedding

Viele Warenhäuser bauten in eigener Initiative Betriebsfeuerwehren auf, da die Brandgefahr angesichts der größtenteils leicht entzündlichen Waren als erheblich eingeschätzt wurde. Der Winter 1928/29 war außerordentlich hart. Durch die niedrigen Temperaturen hatte die Feuerwehr Probleme, im Brandfall schnell und effizient zu löschen. Als am Abend des 30. Januar 1929 bei „Hermann Tietz“ in der Chausseestraße Feuer ausbrach, waren keine Kunden mehr im Haus. Der Brand stand wohl im Zusammenhang mit Neubaumaßnahmen, die zu der Zeit im Gange waren. Der Brandherd konnte in einer hölzernen Trennwand zum Neubau lokalisiert werden. Tatsächlich war die Feuerwehr bereits innerhalb kürzester Zeit angerückt, doch konnte sie nur eine Ausbreitung des Feuers verhindern.

Die Feuersozietät leistete für diesen Brand eine Entschädigung in Höhe von 2 Millionen Reichsmark. Der Betrag war so hoch, dass er sich sogar auf die jährliche Umlage auswirkte. Das Unternehmen Hermann Tietz machte sich umgehend daran, wieder aufzubauen.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden die Geschäftsführer der Familie Tietz gezwungen, aus dem Unternehmen auszuscheiden. Der Name wurde in Hertie (Hermann Tietz) geändert.

1914
Machtapparat
1933–1945. Aus geistigen Brandstiftern wird ein Feuersturm, der über Stadt und Land und viele, viele Biografien hinwegfegt: Die NS-Zeit prägt auch die Geschichte der Feuersozietät. > Den Machtapparat verstehen.
Machtapparat
Die neuen Machthaber etablieren sich – auch bei der Feuersozietät. Auf der einen Seite „Business as usual“, auf der anderen keine Zahlungen für Schäden durch die Pogrome 1938. Die Städtische Feuersozietät errichtet einen überdimensionierten Neubau in der Parochialstraße und wird in ihrem Bereich zum stützenden Element innerhalb des nationalsozialistischen Systems.

Brand und Brandstifter

Erst Austausch der Leitungsebene, danach folgte die „Säuberung“ der nachrangigen Ebenen.

Am 30. Januar 1933 kam die Nationalsozialistische Arbeiterpartei (NSDAP) durch ihren Eintritt in die Reichsregierung und die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler an die Macht. Innerhalb kürzester Zeit wurden tragende städtische Verwaltungsorgane erst wirkungslos gemacht, dann ganz aufgelöst – so auch die Stadtverordnetenversammlung. Ihre Aufgaben übernahm nun der Stadtgemeindeausschuss. Ein großer Teil der Stadträte des Berliner Magistrats war zu diesem Zeitpunkt bereits beurlaubt oder ihrer Ämter enthoben.

Personalveränderungen bei der Feuersozietät
Tausende von Beamten und Angestellten wurden aus der Verwaltung der Städte und Provinzen entlassen. Es war ein massiver politischer Ausgrenzungsprozess, in dem jedes Individuum, das als Regimegegner identifiziert wurde oder antisemitischer Diskriminierung unterlag, aus seinem Beruf verbannt wurde. Auch bei der Städtischen Feuersozietät kam es zu personellen Veränderungen. Der Anfang 1933 tätige Vorsitzende der Deputation der Städtischen Feuersozietät, Hermann Jursch, verlor sein Amt als Stadtrat an den Kreisleiter des Kreises VI im Gau Berlin der NSDAP, Philipp Schlicht. Innerhalb der Feuersozietät übernahm dieser auch die Anstaltsleitung. Sein Stellvertreter wurde Alfred Wolfermann, der ab 1937 auch Stadtrat und zugleich maßgeblich für die Berliner Feuerwehr verantwortlich war. Die nun als „Dienststelle“ bezeichnete ehemalige Geschäftsstelle stand unter der Regie von Stadtamtmann Ernst Laasch.

Interne Entwicklung der Arbeitsbedingungen
Die Städtische Feuersozietät Berlin wurde nun zu einem vom „nationalsozialistischen Geist erfüllten Betrieb“, die Mitarbeiter bildeten nun eine „Gefolgschaft“. Auf Kosten der Anstalt konnten sie sogenannte KdF-Reisen („Kraft durch Freude“) unternehmen. Neben Betriebsausflügen und Weihnachtsfeiern gab es weitere Angebote der Kraft-durch-Freude-Organisation, den Betriebschor, eine Schieß- und Amateurfotogruppe wie auch die Schachspiel- und Nähgruppe. Der „Gefolgschaft“ stand auch eine Bücherei mit Literatur zur Verfügung. Die Deutsche Arbeitsfront würdigte diese Bemühungen der Feuersozietät ab 1938 viermal feierlich „im Leistungskampf der deutschen Betriebe“ mit dem „Gaudiplom für hervorragende Leistungen“.

Schadenabwicklung
Während im Bereich der Schadenerstattung erheblich weniger ausgegeben wurde, stiegen die Kosten im Bereich Brandbekämpfung erheblich. Obgleich die Beteiligung der Feuersozietät an den Kosten der Feuerwehr auf 100.000 Reichsmark fixiert worden war, wurde im Geschäftsjahr des Spitzenwechsels ein Beitrag „für das Feuerlöschwesen“ in Höhe von 494.418 Reichsmark entrichtet. 1938/39 wurde diese Unterstützung der Feuerlöschkasse durch die Zahlung einer „Feuerschutzsteuer“ abgelöst, die ab 1939/49 mit über 300.000 Reichsmark zu Buche schlug.

Reichsmark-Münze, 1935

Nach einem Großbrand im Jahr 1935 beschloss der Magistrat, die öffentlichen Gebäude und Einrichtungen bei der Städtischen Feuerversicherung versichern zu lassen. So wurde zu diesem Zeitpunkt auch die Feuerversicherung für die Städtische Heil- und Pflegeanstalt Buch bei der Feuersozietät abgeschlossen.

Rückversicherung
1936 kündigte die Städtische Feuersozietät den Rückversicherungsvertrag beim Deutschen Gemeinnützigen Rückversicherungsverband A.G. Um dennoch künftig die Spitzenrisiken abzusichern, schloss sich die Feuersozietät nun dem Gemeinschaftsverband der öffentlich-rechtlichen Feuerversicherungsanstalten zur Rückversicherung an.

Der Neubau der Städtischen Feuersozietät Berlin

1938 zog die Städtische Feuersozietät Berlin aus dem Gebäude am Molkenmarkt in einen Neubau an der Parochialstraße, gleich gegenüber dem Stadthaus.

Da die Städtische Feuersozietät bis 1935 über keinen Grundbesitz verfügt hatte, musste dieser erst erworben werden. Die Übernahme der städtischen Grundstücke musste formal von der Ratsherrenversammlung genehmigt werden. Dafür stellten Stadtrat Philipp Schlicht, zugleich Leiter der Städtischen Feuersozietät, und Stadtrat Adalbert Pfeil eine entsprechende Vorlage zusammen. Diese wurde in der Sitzung am 28. Januar 1936 ohne Erörterung angenommen.

Zu den Kosten für den Kauf der Grundstücke reihten sich die Abbruchkosten und Bauvorbereitungen. Zusammengerechnet mit den erheblichen Baukosten und der Größe des Baus stellte seine Errichtung ein betriebswirtschaftlich wenig sinnvolles Vorhaben dar. Das Projekt diente wie viele andere der Zeit mit Gewissheit allein der Durchführung nationalsozialistischer Stadtplanung im Kern Berlins. Nach der Einweihung des Hauses firmierte die Städtische Feuersozietät unter Parochialstraße 1/3.

Die Häuser Parochialstr. 27 – 32 (von rechts), zwischen Klosterstraße und Jüdenstraße, 1930

Pogrome

Brandstiftung und Progrome 1938
Im Herbst 1938 eskalierte die Situation auf internationaler Ebene. Obgleich mit dem sogenannten Münchner Abkommen ein neuer Krieg abgewendet zu sein schien, gingen die deutschen Provokationen weiter. Ende Oktober 1938 wurden 17.000 polnische Juden, die in Deutschland gelebt hatten, von deutschen Beamten an die Grenze gebracht und nach Polen abgeschoben. Das gewaltsame Vorgehen traf die Menschen völlig unvorbereitet.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannte es an vielen Stellen in der Stadt. In Charlottenburg, in der Fasanenstraße 78/80, stand die riesige Synagoge lichterloh in Flammen. Doch die Feuerwehr kam nicht zum Löschen: Die antijüdische Politik hatte sich staatlicherseits erneut verschärft. Schon im Mai und Juni 1938 waren zahlreiche „Judenaktionen“ inszeniert worden, bei denen die Schilder von jüdischen Geschäften, Ärzten und Anwälten beschmiert, Menschen malträtiert und Schaufensterscheiben zerschlagen wurden.

Die Synagoge in der Fasanenstraße in Berlin-Charlottenburg, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 niedergebrannt und im Krieg weiter beschädigt.

Die am Abend des 9. Novembers verübten Übergriffe waren brutaler und aggressiver als im Sommer – Menschen wurden verletzt, viele getötet. In zahlreichen Synagogen wurden die heiligen Kultusgegenstände gestohlen oder zerstört, es wurde vandalisiert, Scheiben gingen zu Bruch. Später gingen die Ereignisse unter dem zwiespältigen Begriff „Kristallnacht“ in die Geschichte ein.

Abgesehen von der gesellschaftlich zerstörerischen Wirkung solcher Pogrome waren alle gesetzten Brände auch ein Fall für die Feuerversicherungen. Doch wenn der Staat selbst die Brandstiftung veranlasst, ist der Rechtsstaat außer Kraft gesetzt. Entsprechend verlief die versicherungsrechtliche Abwicklung nicht mehr in der hergebrachten Weise.

Die Folgen

In der Folge des Pogroms offenbarte sich die Absicht, Juden in Deutschland weiter zu entrechten und nun ganz direkt auszuplündern. Zur näheren Abstimmung von Maßnahmen wurde für den 12. November 1938 eine Sitzung im Reichsluftfahrtministerium anberaumt. Noch am Tag der Sitzung ergingen verschiedene Verordnungen: Die Geschädigten sollten nicht nur ohne Versicherungserstattung bleiben, sondern zudem verpflichtet werden, die ihnen zugefügten Schäden umgehend selbst zu beseitigen, damit das Straßenbild nicht dauerhaft beeinträchtigt sei. Mehr noch: Um jedem einzelnen Bürger, der als Jude galt, noch mehr abzupressen, wurde die Verordnung über eine „Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit“ erlassen. Eine Milliarde Reichsmark wurde den deutschen Juden kollektiv aufgebürdet.

Versicherungen waren lediglich bereit, Erstattungen für die Pogromschäden bei „arischen“ deutschen und ausländischen „jüdischen“ Versicherten zu übernehmen, aber nicht für „jüdische“ Deutsche und staatenlose Versicherte. Die Ansprüche für Synagogen oder sonstige Einrichtungen der jüdischen Gemeinden sollten gar nicht erst berücksichtigt werden. Der Rechtsweg, um gegen ihre Versicherung zu klagen, blieb den Betroffenen weitgehend verschlossen.

Links: Dachstuhlbrand in Berlin, Geschäftsbericht Städtische Feuersozietät, 1938

Rechts: Ein Plakat, gestaltet von Karl August Tramm; Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin

Ein Blick auf die Feuersozietät der Provinz Brandenburg

Die Namen „Städtische Feuersozietät Berlin“ und „Feuersozietät der Provinz Brandenburg“ führten regelmäßig zu Verwechslungen. Doch während die Städtische Feuersozietät mit dem Wandel Berlins zur Weltstadt einen enormen Aufschwung erlebt hatte, befand sich die Brandenburger Feuersozietät seit langem in einem Selbstbehauptungskampf. Über lange Zeit herrschte zwischen der Berliner und der Brandenburgischen Versicherung eine ausgeprägte Konkurrenz.

Gestaltung der Werbung der Feuersozietät der Provinz Brandenburg.

Tätigkeitsfelder der Feuersozietät der Provinz Brandenburg
Die versicherten Immobilien der Feuersozietät Brandenburg umfassten öffentliche, gewerbliche und private Gebäude auf dem Gebiet der Provinz Brandenburg sowie im Wettbewerbsgebiet Berlins. Auch Kriegsgefangenen- und Arbeitslager, die unter nationalsozialistischer Herrschaft errichtet wurden, waren Objekte für die Brandschutzversicherungen. So wurde etwa das Barackenlager Pankow-Blankenfelde von der Feuersozietät der Provinz Brandenburg versichert.

Personelle Neubesetzung auch bei der Feuersozietät der Provinz Brandenburg
Wie bei der Städtischen Feuersozietät Berlin war es 1933 auch bei der Feuersozietät der Provinz Brandenburg zu einem Wechsel an der Spitze der Anstalt gekommen: Hans Vatke, seit 1929 im Amt des Generaldirektors, musste seinen Platz für Peter F. Mengel räumen.

Zurück zur Lage der städtischen Feuersozietät Berlin

Der zweite Weltkrieg hatte auch auf die Städtische Feuersozietät Berlin unmittelbare Auswirkungen. Das Gebäude in der Parochialstraße erlitt einzelne Bombentreffer, bei denen wertvolles Material zerstört wurde. Formal behielt die Feuersozietät zwar ihren Sitz dort weiterhin bei, doch musste sie schon bald der zentralen Stadtverwaltung weichen. So verlegte die Feuersozietät ihre Dienststelle nach Groß-Glienicke bei Kladow. Erst 1944 konnte sie in einige Räume ihres Hauses zurückkehren, das ansonsten weiterhin von verschiedenen Dienststellen des Magistrats genutzt wurde.

Krieg und Feuerversicherung
Auch im Kriegsverlauf rückte die Feuersozietät nicht von dem Grundsatz der Verpflichtung zum Wiederaufbau ab. Angesichts der zuletzt schwersten Kämpfe um Berlin war aber dieser Pflicht nicht mehr nachzukommen. Die Menschen versuchten nur noch, ihr Leben zu retten, um die Erhaltung von Sachwerten ging es kaum mehr. Rein rechtlich war aber der Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes nach wie vor die Voraussetzung für die Entschädigungsleistung. Da dieser nicht erfolgte, entfiel entsprechend auch die Leistungsverpflichtung für die Feuersozietät von Berlin.

Nach Kriegsende war die Anzahl der Verträge gegenüber dem Jahr 1943 um rund 10 Prozent geschrumpft. Zahlreiche versicherte Objekte lagen im zentralen Bereich Berlins, wo die Zerstörungen besonders heftig waren. Auch die großen Industriestandorte, ebenfalls versichert und nicht wieder aufgebaut, waren vernichtet.

Für die Bewohner der Stadt war die Situation dramatisch. Abgesehen vom Verlust von Angehörigen gab es einfach keinen Wohnraum mehr. Von den ehemals 1.543.556 Wohnungen waren 500.000 vollständig zerstört und rund 100.000 schwer beschädigt. 75 Millionen Kubikmeter Trümmer überdeckten die Stadtfläche. Mit dem Kriegsende begann denn auch für die Feuersozietät ein neues Kapitel.

Fazit

Mit dem Wandel in einen „nationalsozialistischen Musterbetrieb“ kam bei der Städtischen Feuersozietät Berlin auch nach außen die Anpassung an die ideologischen Anforderungen zum Tragen. Die Feuersozietät beugte sich den Anforderungen, die an sie gestellt wurden, und war in ihrem Bereich stützendes Element innerhalb des nationalsozialistischen Systems. Die Konkurrenz mit der Brandenburgischen Feuersozietät blieb weiter bestehen – die entscheidende Auseinandersetzung scheint man jedoch auf spätere, ruhigere Zeiten verschoben zu haben.



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1933
Zeitenwechsel
1945–1989. Die Feuersozietät im Sturm der Ereignisse: ein Kapitel von den Folgen der Zerstörung über Wiederaufbau und Teilung bis zum Wachstum im Westen und Verschwinden im Osten. > Die Zeiten der Trennung mitmachen.
Zeitenwechsel
1945 markierte den wohl größten Wendepunkt in der Geschichte der Feuersozietät. Der Neugründung 1947 folgte schon 1948 die Aufteilung in Ost und West. Und mit der Verstaatlichung im Ost-Teil der Stadt beschränkte sich das Geschäftsgebiet nur noch auf West-Berlin. Parallel vergrößerte sich das Portfolio um den Bereich Lebensversicherung – und das Leben begann wieder: Wiederaufbau, Wirtschaftswunder, die Geschäfte und das Angebot der Feuersozietät wuchsen. Mauerbau 1961, Studentenproteste 1968 – die Zeiten waren bewegt. Und 1989 sollte dann ein neuer, glücklicher Zeitenwechsel folgen: der Fall der Mauer.

Vom „Zusammenbruch“ bis zur Wiedervereinigung

Es geht weiter – irgendwie. Die Zeit bis 1950
Mai 1945: Die Stadt lag in Trümmern. Die Verwaltung musste ihre Arbeit unter neuen Bedingungen aufnehmen. Doch zuvor wollte die einrückende sowjetische Militäradministration sicherstellen, dass das nationalsozialistische Regime sachlich und personell vollständig abgewickelt wird. Um zu verhindern, dass von den öffentlichen Konten Geld abgezogen wurde, erließ Stadtkommandant und Garnisonschef Nikolai E. Bersarin am 28. April 1945 den Befehl Nr. 1, der alle Aktivitäten von Banken und Versicherungen zeitweilig untersagte.

Einsetzung des ersten Magistrats durch den sowjetischen Stadtkommandanten Nikolai E. Bersarin mit Oberbürgermeister Dr. Arthur Werner (stehend), 19. Mai 1945; Stiftung Stadtmuseum Berlin

Sichtung der Schäden
Bei der Städtischen Feuersozietät ruhten die Geschäfte formal vom 8. Mai bis zum 30. September 1945. Ihr Leitungsstab wurde abgesetzt. Aus der Belegschaft wurden die ehemaligen Mitglieder der NSDAP ihrer Posten enthoben. Viele Mitarbeiter waren im Krieg umgekommen oder befanden sich noch in Kriegsgefangenschaft.

Nun musste erst einmal gesichtet werden, wie es um die Städtische Feuersozietät stand. Die Untersuchungsergebnisse aus einem internen Bericht vom 24. Juli 1945 waren ernüchternd: Von 65 Mitarbeitern standen nur noch 17 zur Verfügung. Die Geschäftskasse wies einen Betrag von 738,46 Reichsmark auf, das Postscheckkonto gerade einmal 2.360,67 Reichsmark. Weiterhin waren Wertpapiere im Umfang von 14,3 Millionen Reichsmark, von denen die Reichsanleihen mit 12,3 Millionen Reichsmark den größten Teil ausmachten, bei der Berliner Stadtbank deponiert. Zunächst ging man offenbar davon aus, dass mit Aufhebung der Sperrung der Konten die Wertpapiere wieder als Guthaben zu aktivieren gewesen wären. Im später erstellten Abschlussprüfbericht 1947 wurden die Wertpapiere dann lapidar in einer Sonderspalte als „Durch Kriegsereignisse und Kriegsfolgen zweifelhaft gewordene Aktiva“ aufgeführt.

Die Lage war desolat. Die Liquidität war geschwunden und das Unternehmen war absehbar nicht mehr in der Lage, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Zudem mussten bauliche Instandsetzungsarbeiten und Reparaturen laufend bezahlt werden.

Spittelmarkt, 1946; Stiftung Stadtmuseum Berlin

Die Gründung der (neuen) Städtischen Feuerversicherungsanstalt 1945
Am 12. Oktober 1945 trat deutschlandweit das Verbot der NSDAP und aller ihrer Gliederungen in Kraft. Wie die deutsche Wirtschaft neu organisiert werden sollte und welche Konzepte dafür infrage kamen, darüber bestand in den jeweiligen Sektoren der Alliierten weiterhin Unklarheit. Im Falle der Städtischen Feuersozietät Berlin, die ihren Sitz im sowjetischen Sektor hatte, war die Perspektive jedoch benannt: Ihre Geschäfte sollten beendet werden. Am 20. August 1945 erging der Magistratsbeschluss über die Gründung einer (neuen) Städtischen Feuerversicherungsanstalt von Berlin, am 3. Dezember 1945 wurde die Auflösung und Liquidierung der (vormaligen) Städtischen Feuersozietät, rückwirkend zum 30. September 1945, beschlossen.

Die neue öffentliche Berliner Feuerversicherung begann zum 1. Oktober 1945 mit der Arbeit. Ihr Tätigkeitsgebiet wurde nun um neue Versicherungszweige erweitert: Verbundene Hausratversicherung, Mobiliar-Feuerversicherung, Einbruch-Diebstahlversicherung, Wasserleitungsschadenversicherung, Unfallversicherung, Haftpflichtversicherung, Kraftfahrtversicherung, Transportversicherung und Lebensversicherung.

Doch die Geschäfte der Berliner Feuerversicherung sollten nur eine kurze Episode bleiben: Im August 1946 wurde der Beschluss über die Liquidation der Städtischen Feuersozietät vom Magistrat in Abstimmung mit den zuständigen Kommandanturstellen wieder gekippt. Offiziell löste sie dann zum 1. Januar 1947 – unter dem Namen Feuersozietät Groß-Berlin – die Städtische Feuerversicherungsanstalt von Berlin wieder ab, rückwirkend ab 1. Oktober 1945. Auf diese Weise blieb die Tradition der Feuersozietät rechtlich formal ungebrochen.

Briefkopf mit Flammen-F-Signet, ca. 1947

Die Feuersozietät ist wieder da

Tatsächlich erfolgte der Neubeginn der Feuersozietät Groß-Berlin zum 1. Januar 1947. Das in der Zwischenzeit erweiterte Portfolio mit dem vielfältigen Versicherungsangebot wurde beibehalten, Hauptzweig blieb aber die Gebäudeversicherung. Weiterhin sollte eine Sicherheitsrücklage von mindestens einem Promille der Haftungssumme gebildet werden.

Teilung der Stadt – Teilung der Feuersozietät
Das Geschäft normalisierte sich weiter, da begannen sich die Auseinandersetzungen zwischen Ost und West zu verschärfen. Zum April 1947 erging der Befehl des sowjetischen Militärkommandanten über die Errichtung der „Deutschen Treuhandstelle zur Verwaltung der sequestrierten und beschlagnahmten Vermögen im sowjetischen Sektor von Berlin“. Bald zeigte sich, dass auch bei der Feuersozietät eingegriffen werden sollte. In dieser Situation erwies sich die nach dem Krieg eher zufällig erfolgte Verlegung des Amtssitzes in den Westen der Stadt als vorteilhaft.

Im Juni 1948 wurden alle Zufahrtswege in die Westsektoren zu Land und zu Wasser von der sowjetischen Administration abgesperrt. Während der fast ein Jahr dauernden Blockade West-Berlins wurden die Menschen in den Westsektoren ausschließlich per Luftfracht mit Hilfe des Flugverkehrs der Westalliierten mit allem Notwendigen versorgt.

Entladung von Douglas C-47 auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof, 1948

Spätestens seit November 1948 war das Auseinanderdividieren in Ost und West auch auf administrativer Ebene manifest geworden. Die Feuersozietät orientierte sich klar Richtung Westen. Bald wurde es notwendig, eine separate Abteilung der Feuersozietät Groß-Berlin zu errichten, die Hauptverwaltung Ost. Diese übernahm die Verpflichtungen gegenüber den im sowjetischen Sektor Versicherten.

Bald darauf wurde klar, dass die staatliche Übernahme des im Ostteil liegenden Geschäftsgebiets unmittelbar bevorstand. Zügig wurde die endgültige Trennung zwischen der Hauptverwaltung Ost und der West-Feuersozietät vollzogen.

Die Feuersozietät und West-Berlin nach 1950
1950 war die Trennung der Feuersozietät Berlin von der Vereinigten für Berlin (Ost) bis auf kleinere noch zu lösende Probleme abgeschlossen. Die Feuersozietät machte sich nun daran, das Geschäft für West-Berlin auszubauen. Der Verlust von 45 Prozent der Verträge, die sich auf Objekte im Ostteil der Stadt bezogen, musste wettgemacht werden.

Ab 1955 war der Schadenverlauf im Bereich der Feuerversicherung regelmäßig so günstig, dass sogar Beitragsnachlässe gewährt werden konnten. Mittlerweile beschäftigte die Feuersozietät Berlin 343 Personen, sie bildete auch Lehrlinge aus. Mit elf Geschäftsstellen an wichtigen Standorten der Stadt und 46 hauptamtlichen Vertretern zeigte die Feuersozietät starke Präsenz und sorgte für eine gute Betreuung der Kunden. Gemeinsame Betriebsausflüge und Weihnachtsfeiern sollten ein gutes Betriebsklima befördern.

Die weitere Entwicklung

West-Berlin fiel es schwer, wieder zu Geltung und materieller Solidität zu gelangen. Ihrer Hauptstadtfunktion beraubt, war die Infrastruktur der Stadt geschwächt, zudem fehlte die Einbettung in ein einheitliches Wirtschaftsgebiet. In den 1950er-Jahren verließen zahlreiche Haus- und Grundbesitzer sowie Industrieunternehmen die Stadt. Gleichzeitig wurde wieder mehr gebaut, denn die Wohnungsnot war groß.

Das Angebot der Feuersozietät wurde immer breiter. 1961 wurden die Bauwesen-, die Kautions- und Garantie- sowie eine Film-Ausfall-Versicherung angeboten. Eine Neuheit war auch die im selben Jahr bereitgestellte Kernreaktorversicherung, für die Anteile bei der Deutschen Kernreaktorversicherungsgemeinschaft übernommen wurden.

Berlin, Checkpoint Charlie, Nacht des Mauerfalls 9./10. November 1989.

1989 kam für alle völlig überraschend die Öffnung der Mauer. Die Grenzen zwischen Ost und West, zwischen Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik, zwischen zwei separaten Halbstädten wurden aufgelöst. Mehrere Dekaden ganz eigener Entwicklungswege brachen ab, eine ungeahnte politische und gesellschaftliche Dynamik setzte ein. Für die Berliner Feuersozietät begann damit wieder ein neuer Zeitabschnitt, denn ein Zurück zum Status quo vor der Teilung war nicht mehr möglich.



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1945
Zusammenleben
1989–2018. Alles auf Anfang! Mit der Wiedervereinigung wird die Feuersozietät zur Versicherung für Berlin und Brandenburg. Jahre der Euphorie, des Wachstums, der großen Veränderungen – wie seit 300 Jahren. Und in Zukunft. > Das Zusammenleben erleben.
Zusammenleben
Mit dem Fall der Mauer schienen die Möglichkeiten und Hoffnungen schier grenzenlos. Auch für die Feuersozietät. Sie dehnte ihr Geschäftsgebiet auf das ganze Stadtgebiet und das sich neu formierende Bundesland Brandenburg aus. Schnelles Wachstum, das allerdings schon bald abflachte: Ereignisse wie die Flutkatastrophe der Elbe 2002, schwere Stürme, aber auch die Terroranschläge von 9/11 verursachten für die Feuersozietät erhebliche Schäden. Für die damalige Anstalt des öffentlichen Rechts hieß die Lösung entweder Abwicklung oder Veräußerung. Ein Konsortium unter Führung der öffentlich-rechtlichen Versicherungskammer Bayern kaufte die als Aktiengesellschaft neu errichtete Feuersozietät. Unter diesem Dach blieb sie in öffentlicher Trägerschaft und schaffte es, ihren Regionalbezug zu erhalten und zu stärken.

Feuersozietät und die deutsche Wiedervereinigung

Von der Wiedervereinigung bis zur Gegenwart
Am 9. November 1989 antwortete Günter Schabowski in einer Pressekonferenz auf die Frage, wann die neuen Reisebestimmungen der DDR in Kraft träten: „Das tritt nach meiner Kenntnis – ist das sofort … – unverzüglich …“ – damit war die Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten nicht mehr zu halten. Welcher Wirtschaftsboom nun folgen würde, ahnten allenfalls schon die Wirtschaftsforschungsinstitute: Für 1990 hatten sie ihre Prognose des Wirtschaftswachstums auf 3,75 Prozent korrigiert, für 1991 legten sie sich sogar auf fast 4 Prozent fest.

Im Juni 1990 beschloss die Volkskammer der DDR das Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens. Das betraf auch das Versicherungswesen. Zum 1. Juli 1990 trat die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion in Kraft. Doch die Versicherungen waren zu diesem Zeitpunkt bereits umfassend reguliert: Die nahezu komplette Übernahme der Staatsversicherung durch die Allianz war im März 1990 per Vorvertrag vereinbart worden.

Am Platz vor dem Brandenburger Tor begannen in der Nacht zum 22. Dezember die Bauarbeiten zur Eröffnung der Grenzübergangsstelle für Fußgänger.

Unternehmenswandel
Auch für die West-Berliner Feuersozietät begann nun eine stürmische Phase. Die Feuersozietät der Provinz Brandenburg war 1977 liquidiert worden, ihre Rechtsnachfolge hatte die Berliner Feuersozietät übernommen. Auf dieser Grundlage konnte sie nun ihr Geschäftsgebiet ausdehnen: von West-Berlin auf das ganze Stadtgebiet und darüber hinaus auf das sich neu formierende Bundesland Brandenburg. Ein flächendeckendes Vertriebssystem wurde aufgebaut. Mehr Mitarbeiter wurden eingestellt und geschult, neue Verträge in einem Umfang abgeschlossen, der deutlich über dem „marktüblichen Umfang“ lag.

Nachdem die Jahre 1990 und 1991 von einem enormen Wachstum geprägt waren, konsolidierte sich der Geschäftsverlauf 1992 auf hohem Niveau. Im Vertrieb wurde die enge Verbindung mit der Berliner Sparkasse auf die neuen Sparkassen in Brandenburg ausgedehnt. Ab 1992 wurden diese zu einem zweiten Vertriebskanal. Aber auch eigene Geschäftsstellen und Agenturen wurden weiter ausgebaut.

Technologischer Wandel – neue Kommunikationsformen
War der Zugang zu Kunden bisher nur durch persönlichen Kontakt, auf dem Postweg bzw. per Telefon und Fax möglich gewesen, eröffneten sich mit dem Aufkommen des Internets neue Informationskanäle für Service und Vertrieb. 1997 konnte die Feuersozietät Berlin Brandenburg erstmals auf den eigenen Auftritt im World Wide Web verweisen.

Sekretärin beim Telefonieren mit einem Autotelefon AEG Olympia Telecar C, C-Netz der Deutschen Bundespost Telekom

Vertrieb und Mitarbeiterentwicklung
Gleich nach der Wiedervereinigung wurde ein dichtes Netz von Vertretungen in Berlin und Brandenburg aufgebaut. Die Belegschaft stieg bis 1994 auf 595 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an.

Heute sind 307 Beschäftigte für die Feuersozietät Berlin Brandenburg tätig, von denen 181 Vollzeit und 50 Teilzeit im Innendienst sowie 58 im Außendienst arbeiten. Zugleich engagiert sich das Unternehmen auch im Ausbildungssektor und beschäftigt 18 Auszubildende.

Links: Standorte der Agenturen in Berlin

Rechts: Standorte der Agenturen in Brandenburg

Staatsvertrag 1993 und Wegfall des Monopols
In den 1990er-Jahren stärkte die Feuersozietät ihre regionale Position mit der institutionellen Absicherung durch die beiden Länder Berlin und Brandenburg. Als Anstalt des öffentlichen Rechts stand sie nicht nur unter der gemeinsamen Fachaufsicht, sondern war auch finanziell durch beide Länder abgedeckt. Mit dem Staatsvertrag wurde auch das regionale Engagement im Bereich der Erstversicherung, also den direkten Versicherungen, deren Risiko die Anstalt übernahm, festgeschrieben.

Bereits vor der offiziellen Errichtung der Feuersozietät Berlin Brandenburg war auf europäischer Ebene eine folgenreiche Regelung der EU verabschiedet worden. Ziel war die Gestaltung eines einheitlichen europäischen Binnenmarkts mit einer stärkeren Liberalisierung und Deregulierung. Für alle europäischen Versicherungsunternehmen hatte nun die Niederlassungsfreiheit zu gelten, allen Versicherungsnehmern wurde die Möglichkeit des Abschlusses von Verträgen in ganz Europa eingeräumt. Das beinhaltete auch die Aufgabe des Monopols, das auch in Berlin noch für die Gebäudeversicherung galt.

Für die Feuersozietät Berlin Brandenburg hatte das erhebliche Folgen: War die Feuersozietät bis dahin zumindest im Gebäudebereich für das ausgewiesene Geschäftsgebiet Pflichtpartner gewesen, musste sie nun mit anderen Versicherungsgesellschaften konkurrieren. Die Transformationsleistung, die die Feuersozietät zu bewältigen hatte, war enorm. Bislang reichte es für den Monopolbereich aus, auf der Grundlage des Jahresrückblicks die Gegenwart zu gestalten, nun mussten unternehmerische Entscheidungen für die Zukunft gefällt werden, um im Wettbewerb zu bestehen.

Trotz der geänderten europaweiten Bestimmungen konnte die Feuersozietät bis 1997 die Zahl der Versicherungsverträge weiter steigern, verbunden mit einer Erhöhung der Beiträge insgesamt. Dem stand allerdings auch eine deutliche Zunahme der Schadenfälle gegenüber.

34. Plenarsitzung des Deutschen Bundestages zum Umzug des Bundestages nach Berlin am 20. Juni 1991 (Hauptstadtbeschluss).

Entwicklung 1997 bis 2003
Die Feuersozietät verdoppelte die Aufwendungen für die Schadenverhütung von 6 Millionen DM im Jahr 1993 auf 12 Milionen DM im Jahr 1997. Insgesamt lief das technische Erstgeschäft bis 2001/2002 gut. Die Feuersozietät engagierte sich nun verstärkt im Rückversicherungsgeschäft. Eigentlich war sie dafür nicht groß genug, hatte nicht das Gewicht eines Global Players. Doch die staatliche Absicherung im Hintergrund machte sie verlässlich. Innerhalb eines Konsortiums war sie in diesem Rahmen auch an der Abdeckung des Risikos des World Trade Centers (WTC) in New York sowie an Luftfahrtversicherungen beteiligt.

Mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 geriet die Feuersozietät Berlin Brandenburg in eine Situation, in der sie nicht mehr in der Lage war, die anstehenden Forderungen abzudecken. Im Sommer 2002 kam mit dem Hochwasser von Mulde und Elbe auch noch eine Flutkatastrophe dazu, die erhebliche Schäden verursachte. Außerdem verursachte im gleichen Jahr Tornado „Anita“ zahlreiche weitere Elementarschäden. Diesen Leistungsanforderungen war ohne die Unterstützung der Länder Berlin und Brandenburg nicht mehr nachzukommen.

Zwei Lichtstrahlen, eine Erinnerung: an die beiden zerstörten WTC-Türme.

Privatisierung und Veräußerung

Die Feuersozietät Berlin Brandenburg hatte sich in eine so aussichtslose Lage manövriert, dass nun vonseiten Berlins und Brandenburgs die Entscheidung anstand, sie zu verkaufen oder abzuwickeln. Noch im Jahr 2002 wurde die Feuersozietät zum Verkauf ausgeschrieben. Um diesen zu ermöglichen, musste zuvor die Herauslösung der Versicherung aus der staatlichen Einbindung bewerkstelligt werden. In ungewöhnlich kurzer Zeit gelang es 2003, die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft zu vollziehen. 2004 kaufte ein Konsortium unter Führung der öffentlich-rechtlichen Versicherungskammer Bayern (VKB) die nun neu errichtete Feuersozietät für rund 40 Millionen Euro. Unter dem Dach der Versicherungskammer Bayern, die 2012 auch die Anteile der SV Sparkassen-Versicherung und Sparkassen-Versicherung Sachsen übernahm, blieb die Feuersozietät in öffentlicher Trägerschaft.

Der Unternehmenssitz der Versicherungskammer Bayern in München

Geschäftsentwicklung der Feuersozietät Berlin Brandenburg bis 2016

Insgesamt war 2006 noch ein negatives Geschäftsergebnis zu verzeichnen. Das änderte sich im Jahr 2008, als ein Ergebnis von 6,8 Millionen Euro erzielt werden konnte. In diesem Jahr, in dem auch die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes anstand, stufte Standard & Poor (S&P) die Feuersozietät 2008 in der Bewertung von „A-“ auf „A“ (sehr gut) herauf.

Die Leitung des Unternehmens wurde einem zweiköpfigen Vorstand übertragen, dem von 2009 bis 2012 erstmals auch ein weibliches Vorstandsmitglied angehörte. Seit der Übernahme durch die VKB sorgt Dr. Frederic Roßbeck personell für die Kontinuität im Vorstand.

Die Finanzkrise seit dem Jahr 2007 machte sich ab 2010 auch bei der Feuersozietät bemerkbar. So wurden die Jahre 2010 und 2011 mit Verlusten abgeschlossen. Seitdem wurde aber eine positive Trendwende erreicht, die sowohl ein Wachstum bei der Anzahl der Versicherungsverträge als auch bei den Beitragseinnahmen verzeichnen ließ, bei einer gleichzeitigen Verminderung der gemeldeten Schäden.

Die Orientierung an den Kundenbedürfnissen hatte immer schon eine hohe Priorität, dem dienen auch die technischen Möglichkeiten, wie Automatisierung und Digitalisierung. So haben die Feuersozietät und die anderen öffentlichen Versicherer 2004 gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut FOKUS das Unwetter-Warnsystem WIND entwickelt. Dieses System wurde 2010 zu dem umfassenderen Katastrophenwarnsystem KATWARN weiterentwickelt und steht seitdem als App der Bevölkerung allgemein zur Verfügung.

Vom Pilotprojekt zum bundesweiten Warnsystem: die KATWARN App

Gegenwart und Zukunft

Die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft, steigende Kapitalanforderungen, Regulierungen auf europäischer Ebene sowie Anforderungen an den Vertrieb stecken den Rahmen für die unternehmerische Tätigkeit des Versicherers ab.

Die Feuersozietät Berlin Brandenburg hat durch die Neuausrichtung und Integration in den Konzern Versicherungskammer einen wesentlichen Schritt in Richtung Zukunft unternommen. Das regionale Profil, die leistungsfähigen Vertriebe und die Stärke des Konzerns schaffen beste Voraussetzungen, sich auch den Herausforderungen der kommenden Jahre zu stellen. Und in der Bewältigung von Risiken hat die Feuersozietät ja bereits 300 Jahre Erfahrung.



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300 Jahre Historie zum Durchklicken:
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1989
Zukunftszeichen
2018. Das Jubiläumsjahr der Feuersozietät steht ganz im Zeichen von großer Vergangenheit und noch mehr Zukunft. Als starke Marke ist sie heute in Berlin und Brandenburg zu Hause: erfolgreich im Zeichen des Roten Schirms und stark unter dem Dach der Versicherungskammer. > Ins Hier und Heute
2018